Die Fechtmeister-Dynastie der Roux

London hatte die Angelos als prominente Fechtmeister-Dynastie. Jenas Antwort darauf waren die Roux…

by J. Christoph Amberger

Die Zentralfigur in der wissenschaftlichen Aufbereitung des studentischen Hiebfechtens ist der Jenenser Fechtmeister Friedrich Anton Wilhelm Ludwig Roux, auch unter W. Roux als publizierender Fechtmeister tätig. Dieser war allerdings nur einer von vielen Roux, die für über 100 Jahre in ganz Deutschland das Fechten an Akademien und Universitäten lehrten.

Die Familie führte sich auf den hugenottischen Flüchtling François Roux aus Vienne in der Dauphine zurück, der sich am 1. Mai 1703 als Student der Rechte an der Universität Jena immatrikulierte und dort bis zu seinem Tod am 7. März 1750 ein recht kärgliches Dasein als Sprachmeister fristete.

Der erste Fechtmeister der Roux-Dynastie war François’ Sohn Heinrich Friedrich Roux (1728-1791), der nach Beendigung seiner Studien die Kreußler’sche Stoßfechtkunst zunächst als Vorfechter des “Johann Wolfgang Bieglein, genannt Kreußler” lehrte. Nach dem Tode von Bieglein-Kreussler im Jahre 1780 erhielt er die Erlaubnis, neben dem in Jena fest angestellten Universitätssfechtmeisters Hauptmann Johann Heinrich von Brinken mit gleichen Rechten Fechtunterricht zu erteilen. Seine Söhne Johann Friedrich Gottlieb (1760-1828) (der “schöne Roux”), Johann Adolph Karl (1766-1838) und Johann Wilhelm (1777-1846) engagierten sich ebenfalls als Fechtmeister.

Johann Friedrich Gottlieb Roux wurde Fechtmeister an der Universität Tübingen, Johann Adolph Karl lehrte das Fechten in Erlangen, wo er im Frühjahr 1806 – also fünf Jahre vor Jahn – die erste Turnanstallt eröffnete, und später als Pagenhofmeister in Gotha fungierte. Johann Wilhelm übernahm die Jenenser Schüler seines nach Erlangen abgewanderten Bruders und veröffentlichte Anfang des 19. Jahrhunderts einige Schriften zur Kreußler’schen Methode, welche sich heute ungewöhnlicher Seltenheit erfreuen.

Sein Sohn Friedrich Anton Wilhelm Ludwig Roux (1817-1897) war nach Angaben des Familienchronisten Oskar Roux bereits im Alter von acht Jahren voll eingepaukt und übernahm am 1. Juli 1839 die Anstellung als Fechtmeister an der Grossherzoglich und Herzoglich Sächsischen Gesamtuniversität zu Jena, wo der Stoßdegen noch bis weit in die 1840er Jahre die commentmässige Waffe der Studenten war. Trotz seines dynastischen Familienhintergrunds in der Verbreitung der Kreußler’schen Stoßfechtmethode gab Roux bereits 1840 eine komplette Hiebfechtschule nach “Göttinger Hiebfechtmanier” heraus  und bemühte sich in Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Professor Dr. Scheidler in zahlreichen Schriften um das Verbot des Stoßcomments. Mit  den neuen Gesetzen für die Studenten von 1843 wurde dann das Lehren und Betreiben jeglichen Stossfechtens generell verboten.

Die grundlegende Methodik des Hiebfechtens wurde von Roux unter wissenschaftlichen Gesichtsspunkten erweitert und 1857 als Deutsches Paukbuch bei Mauke in Jena veröffentlicht und mehrfacht neu aufgelegt. Die überaus detaillierten Lithographien dieses Werks finden sich bis Mitte des 20. Jahrhunderts in zahlreichen Fechtbüchern unterschiedlichster Autoren wieder, so auch in den englischsprachigen und französischen Publikationen des italienischen Fechtmeisters Barbasetti, welcher im Jahr 1896 die neue italienische Fechtschule in Wien einführte, von wo sie sich bis 1914 durch das gesamte Mitteleuropa verbreitet hatte. Auch der französische Colonel Fix (keine weiteren biographischen Daten sind bekannt) bediente sich dieser Illustrationen recht freizügig in seinem drei deutsche Fechtmeister umfassenden Kompendium zum akademischen Fechten in Deutschland.

Sein Sohn Ludwig Caesar Roux (1843-1917) kondensierte die Lehren des Vaters weiter für sein Buch Die Hiebfechtkunst, welches bei Pohle im Jahr 1885 veröffentlicht und in Neuauflagen von 1889 und 1901 vertrieben wurde. Ab 1865 lehrte er als Universitätsfechtmeister in Leipzig.

Ein Vergleich seiner Hiebfechtkunst mit den seit 1887 als Deutsche Hiebfechtschule für Korb- und Glockenrapier vom Verein Deutscher Universitätsfechtmeister in mehreren Ausgaben herausgegebenen Handbuchs zeigt weitgehende Deckungsgleichheit des Inhalts… was auf die prominente Stellung der Roux innerhalb dieser Vereinigung schliessen lässt. (Letztere Veröffentlichung ist wiederum die Grundlage der Fechtbücher der Seemann-Kahne Brüder aus dem frühen 20. Jahrhunderts.)

Ludwig Caesar war auch das Vorbild für die Figur des Fechtmeisters Roux in Rudolph Bindigs Novelle “Die Fechtbrüder”  (1911), wenn auch sein Leben weit weniger tragisch verlief als das des Titelhelden.

Auch seine Söhne, Paul und Carl Ludwig, wurden Fechter. Paul Roux wurde im Jahr 1902 Nachfolger seines Vaters als Universitätsfechtmeister in Leipzig, einen Beruf, den er mit weltkriegsbedingten Unterbrechungen bis in die 20er Jahre ausübte, als die Weltwirtschaftskrise ihm die Existenzgrundlage entzog. Pauls Bruder Carl Ludwig war als Vorfechter seines Bruders so gefragt, dass er es sich leisten konnte, einen Ruf als Fechtmeister an der Universität Münster abzuschlagen. Kurz darauf verlor er jedoch beim Fechtunterricht ein Auge, was ihm letzendlich, wie vielen Akademikern und Sportlern, einen Einstieg in die Gastronomie ermöglichte.

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